Im Zentrum der diesjährigen Hauptversammlung des Bundesverbandes der
Vorzugsmilcherzeuger und Direktvermarkter von Milch und Milchprodukten in Garbsen bei Hannover stand das
Thema Vorzugsmilch sowie Fragen nach der zukünftigen Positionierung,
Wirtschaftlichkeit und Existenz dieses hochwertigen Produktes.
Vorzugsmilch – Quo vadis?
In den letzten neun Jahren ist unter den 53 aktiven Mitgliederbetrieben des BVDM nur
ein neuer Vorzugsmilcherzeuger hinzugekommen. Einige der direktvermarktenden
Mitgliederbetriebe haben die Vorzugsmilch schweren Herzens aus ihrem Sortiment
genommen. Immer mehr spielen mit dem Gedanken. Doch wie kommt es zu dieser
rückläufigen Entwicklung?
Die Kontrollbedingungen für Vorzugsmilch sind unverhältnismäßig hoch, was vielen
Produzenten die Herstellung von Vorzugsmilch immer schwieriger macht. Die gemäß § 17
und § 18 und Anlage 9 der Lebensmittelverordnung geltenden Bestimmungen und Werte,
wurden im Rahmen der letzten Verschärfung des Lebensmittelhygienegesetzes 8. August
2007 neu festgesetzt. Diese Werte geben bei den monatlich durchgeführten Stichproben den
Ausschlag über Wohl und Wehe des durch die Veterinärämter der Länder geprüften
Vorzugsmilchbetriebes.
Die Besonderheit: Die Festsetzung der neuen Verordnung erfolgte ohne vorherige
wissenschaftliche Ermittlung realistischer Grenzwerte. Und – eine identische Probe
kann in der Interpretation zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem,
wo, wie und von wem sie untersucht wurde.
Die zentrale Frage: Wieso kam niemand auf die Idee, Milchbauern und
Vorzugsmilchproduzenten in diesem Übergangsprozess einzubinden, um unter realen,
hygienisch einwandfreien Produktionsbedingungen realistische Grenzwerte zu
ermitteln? Wurde das Ziel, eine wissenschaftlich fundierte Gesprächsgrundlage zu
erhalten in der Beschlusshektik aus dem Blick verloren – oder hat es nie existiert?
Und es führt zu Paradoxien, wie der, dass industriell verarbeitete, stark prozessierte
Produkte das Etikett „frisch“ tragen dürfen, Etiketten auf Vorzugsmilchflaschen
hingegen nicht. Und das, obwohl sie innerhalb eines Tages beim Verbraucher ankommt
und an ein Verbrauchsdatum von 96 Stunden ab dem Zeitpunkt des Melkens gebunden ist.
Frischere Milch als Vorzugsmilch gibt es nirgends. Zumindest dort, wo es sie noch gibt.